9. Bezirk, Alsergrund
Der Alsergrund, zwischen Universität und Allgemeinen Krankenhaus (AKH), ist seiner Tradition als Stadtteil für Medizin und Wissenschaft treu geblieben. Auch heute finden sich hier medizinische Fachbuchhandlungen, Geschäfte für Laborbedarf etc. Das Alte AKH, die ehemalige „Spitalstadt“, hat sich in einen Campus verwandelt und trägt mit seinen Erholungsbereichen, der bunten Beislszene und den vielen Gastgärten sehr zur Lebendigkeit des Bezirks bei. Mit der Summerstage am Donaukanal verfügt der 9. Bezirk über einen zweiten gastronomischen Hotspot – ein schöner Platz für sonnige Tage und laue Abende. Der Alsergrund hat aber auch kulturell eine breite Vielfalt zu bieten, z.B. WUK, Schuberttheater, Schauspielhaus, Votivkino, Freud-Museum, Votivkirche oder Volksoper. Aufgrund früherer Donauarme auf dem Areal des 9. Bezirks gibt es auch heute noch einige „Geländekanten“, und östlich wird der Alsergrund nach wie vor vom Donaukanal begrenzt. Der Bezirk wird wie fast alle Innenstadt-Bezirke von einer urbanen Struktur beherrscht, hat aber nicht zuletzt durch das Donaukanal-Ufer und den weitläufigen Park des alten AKHs erholsame Grünflächen zu bieten. Das Servitenviertel, im 17. Jahrhundert in der Roßau entstanden, weist noch heute eine fast dörfliche Struktur auf.
Zur Geschichte im Detail:
Am 6. März 1850 wurden die Vorstädte Althan, Himmelpfortgrund, Lichtental, Michelbeuern, Roßau, Am Thury und Alservorstadt dem damals 8. Wiener Gemeindebezirk "Alsergrund", der im Jahre 1861 zum 9. Bezirk wurde, eingemeindet. Die Grenze zu dem Nachbarbezirk Josefstadt, die ursprünglich durch die Florianigasse gebildet worden war, wurde bei dieser Gelegenheit bis zur Alser Straße zurückversetzt.
Aus dem Großarmenhaus wurde das Allgemeine Krankenhaus
Der Name „Alservorstadt“ geht zurück auf den schon vor 1044 erstmals genannten Alserbach. Die Grenzen der Alservorstadt verliefen entlang dem Glacis über Berggasse, Liechtenstein-, Alserbachstraße und Florianigasse. Ab 1684 entstand die Alser Straße als durchgehende Häuserzeile; die Entwicklung der Alservorstadt verlief parallel. Inmitten schöner Gärten entstanden mehrere Adelspaläste, z. B. das Sommerpalais Dietrichstein – später Clam- Gallas – zwischen Währinger Straße und Liechtensteinstraße, in dem heute das Lycée Francais untergebracht ist, das allerdings aktuell vor Schließung bedroht ist. 1693 ließ Kaiser Leopold I. in der Alser Straße ein "Großarmenhaus" erbauen, das 1725 erweitert wurde und 1733 bereits 5 000 Menschen aufnehmen konnte. Kaiser Joseph II. fand die Anstalt veraltet, ließ Zivilarme verlegen und befahl den Abbruch des Gebäudes. 1783 begann man nach Plänen von Isidor Canevale und Matthias Gerl mit der Umgestaltung des Areals. 1784 wurde das "Allgemeine Krankenhaus" eröffnet.
Die Gemüseslowenen in der Alservorstadt
Eine Besonderheit der Alservorstadt bildete das so genannte "Krowotendörfl". Ende des 17. Jahrhunderts mussten die "Krowoten" vom Spittelberg (siehe Wien 7) in die Alservorstadt übersiedeln. Das neue "Krowotendörfl" lag zwischen Mariannengasse und Lazarettgasse. Zu einer Zeit, als man ringsum schon vier- und fünfstöckig baute, glich es in seiner versteckten Lage inmitten der werdenden Großstadt einem richtigen slowakischen Dorf. Die Bewohner handelten entweder als "Gemüseslowaken" mit Grünzeug, oder sie boten als Hausierer selbstgefertigtes hölzernes Spielzeug, Kochlöffel und sonstige Küchengeräte an. Als die Slowaken auch die Gründe in der Alservorstadt aufgeben mussten, zogen viele von ihnen, besonders nach 1848, nach Favoriten.
Die spätere Vorstadt Michelbeuern entstand aus Rieden, die sich bereits 1072 im Besitz des Salzburger Benediktinerstiftes Michaelbeuern befanden. 1786 verkaufte das Stift seinen Besitz an den Magistrat der Stadt Wien. Die Grenzen von Michelbeuern verliefen entlang der Lazarettgasse, Spitalgasse, Nußdorfer Straße, Fuchsthallergasse und bis zum Gürtel.
Der Himmelpfortgrund erhielt seinen Namen vom Kloster zur Himmelpforte in Wien, in dessen Besitz er sich seit 1639 befand. Doch erst nach der Aufhebung des Klosters im Jahre 1783 begann sich der Himmelpfortgrund zu entwickeln. Der Grund fiel vorerst an den Staat, der ihn 1825 an die Gemeinde Wien verkaufte. Nun entstand eine kleine Vorstadt, die an Thury, Lichtental und Michelbeuern grenzte.
Von der Lokomotivfabrik zum alternativen Kulturzentrum
1855 ließ der Schlosser und Industriepionier Georg Sigl auf dem grünen Himmelpfortgrund eine Lokomotivfabrik erbauen. 1873 beendete der Wiener Börsenkrach den Aufstieg des Georg Sigl. Die Produktion musste umgestellt und Teile des Hauses untervermietet werden. 1884 zieht das durch Professor Wilhelm Exner initiierte "Technologische Gewerbemuseum" (TGM) ein. Ab nun wurde nicht mehr produktiv geschaffen, sondern für die expandierende Wirtschaft geschult, geforscht und ausgestellt. 1905 übernimmt der Bund die vom Gewerbeverein nicht mehr länger finanzierbare Ausbildungsstätte. 1979/80 zogen Lehrer und Schüler nach enthusiastischem Vandalismus und Rattenjagden aus der Währinger Straße 59 aus. Der schrittweise Verfall des geschichtsträchtigen Hauses setzte ein. 1978: Das Ende der Schule in der Währinger Straße 59 ist abzusehen. Unter dem Motto "Rettet das TGM" treffen und besprechen sich Menschen verschiedenster Gesellschaftsgruppen, um die inhaltlichen und materiellen Voraussetzungen für einen alternativen, autonomen Kulturbetrieb zu schaffen. 1979 erfolgt die Gründung des Vereins zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser (WUK).
Die „kleinen“ Leute vom Lichtental
An der Stelle der späteren Vorstadt Li(e)chtental lag einst eine von kleinen Donauarmen eingeschlossene Wiese, die den Namen "Altlichtenwerd" trug. Johann Adam Fürst Liechtenstein kaufte diese Wiese vom Grafen Auersperg und ließ auf ihr 1694-1698 ein großes Brauhaus errichten. Den übrigen Teil des Grundes ließ der Fürst 1699 parzellieren, 1701 entstand das erste Haus. Bis etwa 1710, also in relativ kurzer Zeit, entstand eine neue Vorstadt, da den Neusiedlern eine zehnjährige Steuerfreiheit zugesichert worden war. Der Vorort wurde nun einerseits nach seiner Lage am Altlichtenwerd, andererseits nach seinem Stifter "Lichtental" genannt. Die Vorstadt wurde begrenzt von der heutigen Nußdorfer Straße bzw. Liechtensteinstraße, der Fechtergasse und der Althanstraße. Das Lichtental war ein Viertel, in dem "kleine Leute" wohnten und das im späten 19. Jahrhundert zu einem Elendsgebiet verkam.
Die Lichtentaler Kirche in der heutigen Marktgasse entstand 1712-1718. Eine kleine Vorstadt entlang der heutigen Althanstraße, Alserbachstraße und Simon-Denk-Gasse war Althan, benannt nach Christoph Johann Graf Althan, der hier gegen Ende des 17. Jahrhunderts über reichen Landbesitz verfügte. Das Palais Althan (später Palais Pouthon), erbaut um 1693 von Johann Bernhard Fischer von Erlach, musste 1869 der Anlage des Franz-Josefs-Bahnhof weichen. Gundacker Graf Althan verkaufte den 1706 ererbten Besitz 1713 an die Gemeinde Wien.
Der Grund Am Thury liegt auf dem Gebiet des 1529 von den Türken zerstörten und nicht wieder aufgebauten Dorfes Siechentals. Der Eigentümer, das Dorotheerkloster, verzichtete auf eine weitere Nutzung, und so fiel das Gebiet schließlich der Gemeinde Wien zu. 1646 wurde mit dem Bau neuer Wohnhäuser begonnen; nach einem gewissen Johann Thury, Hofbediensteter des Kaisers Ferdinand III., der das erste Haus errichtete, wurde der Grund schließlich Am Thury benannt. 1683 wurde der Ort wiederum von den Türken zerstört, aber erneut aufgebaut und entwickelte sich bald zu einer kleinen Vorstadt. Die Grenzen des Thurygrundes verliefen entlang der heutigen Straßenzüge Fechtergasse, Alserbachstraße und Nußdorfer Straße.
Wie kam das Roß zur Au?
Der Obere Werd war anfangs eine von der Donau umschlossene Insel, die erste Ansiedlung dort war das "Fischerdorfel", eine von Auen umgebene Fischersiedlung, aus der sich die Roßau entwickelte. Die Bezeichnung "Roßtrenk" tauchte bereits 1368 in den Urkunden auf, später kam der Name "Roßau" auf. In dieser Gegend tränkten nämlich die Schiffsleute ihre Pferde, 1639 errichteten die Serviten hier eine Kirche und ein Kloster. Nach 1683 vergrößerte sich die Ansiedlung durch Zuzug von Schiffsleuten und Händlern, die Auen wurden gerodet und verbaut, und bald entwickelte sich die Roßau zu einer blühenden Vorstadt.
Die Grenzen der Roßau verliefen entlang der Liechtensteinstraße, Alserbachstraße, der Donaukanallände und der unteren Berggasse, die "Holzstraße" hieß sowie dem Glacis. Nach 1684 entwickelte sich in der Roßau auch eine jüdische Siedlung. Die Zuwanderer kamen vor allem aus Böhmen, Süddeutschland und Polen. Das 1698 gegründete jüdische Krankenhaus in der Seegasse wurde 1793 umgebaut und 1854 um ein Siechenhaus erweitert, gleichzeitig der 1784 aufgelassene jüdische Friedhof assaniert; ein Teil der Grabsteine wurde später auf den Zentralfriedhof überführt. Im Jahre 1900 stellten die Juden mehr als ein Sechstel der Bevölkerung des 9. Bezirks; sie lebten größtenteils in der Roßau. Als religiösen Mittelpunkt hatten sie die Synagoge in der Müllnergasse 21 und Bethäuser in der Grünentorgasse 28 und in der Blindengasse 4.
Das Liechtensteinsche Sommerpalais wurde 1711 nach Plänen von Domenico Martinelli vollendet. Gegenüber liegt die 1910 erbaute Strudelhofstiege, eine der elegantesten Schöpfungen des Jugendstils in Wien. 1856-1879 wurde auf der Höhe vor dem Schottentor nach den Plänen Heinrich v. Ferstels die Votivkirche erbaut. 1865-1869 wurde die Rudolfskaserne errichtet, die heutige Roßauer Kaserne. Die Verbauung des Glacis erfolgte unter der hoffnungsfrohen Bezeichnung "Neu-Wien". Parallel zur bestehenden Berggasse wurde in der Folge die Türkenstraße neu angelegt. In dieser Gegend stand bis 1850 die Hinrichtungsstätte Rabenstein.