7. Bezirk, Neubau
Im Gebiet zwischen Mariahilfer Straße und Neustiftgasse siedelten sich schon im 19. Jahrhundert Handwerker aller Sparten an, rund um die Neubaugasse Richtung Schottenfeld vor allem Handwerker aus der Seidenindustrie. Die Dichte an Handwerk und Kleingewerbe ist in diesem Stadtteil auch heute noch höher als in anderen Bezirken. Zu den traditionellen Handwerksbetrieben haben sich seit der letzten Jahrhundertwende eine Vielzahl junger KunsthandwerkerInnen, Mode-Ateliers, Designerläden dazugesellt, v.a. in der Liniengasse, Neubaugasse, Kirchengasse oder im Viertel um den Spittelberg. Aus der kleingewerblichen Bebauungsstruktur hat sich der 7. Bezirk auch biedermeierliche Hofgebäude oder verwunschene Gärten erhalten. Mit dem Museumsquartier, dem Volkstheater, dem Theater der Jugend, dem Kosmos Frauenraum, dem Theater am Spittelberg und dem Amerlinghaus weist der 7. Bezirk eine ganz besondere Dichte prägender Kultureinrichtungen auf, aber auch Galerien, Literatur und Fotografie sind mit "Neubau" untrennbar verbunden und mit einer Vielzahl an Spezialeinrichtungen vertreten. Ebenso charakteristisch für den Bezirk sind alte Kinostandorte bzw. Programmkinos wie Bellaria oder Admiral, die sich als Nahversorgerkinos etabliert haben und den Entwicklungen der Filmindustrie trotzen.
Zur Geschichte im Detail:
Die Vorstadt Neubau gehört zu den jüngsten Siedlungen Wiens und war 1704, als Kaiser Leopold I. den Grund an den Magistrat verkaufte, schon zur Gänze verbaut. 1850 wurden die ehemaligen Vorstädte Neubau, Neustift, Spittelberg, Schottenfeld sowie Teile der Vorstädte St. Ulrich, Alt-Lerchenfeld, Laimgrube und Mariahilf zu einem neuen Wiener Gemeindebezirk zusammengefasst. Bei seiner Eingemeindung erhielt der Bezirk die Nummer 6; 1860 wurde er auf Wien 7 „Neubau“ umnummeriert.
Ein Denkmal für den Lieben Augustin
Die älteste Siedlung im Bereich des Bezirks ist die Vorstadt St. Ulrich. Die mittelalterliche Siedlungsform rund um die St. Ulrichs-Kirche, ursprünglich ein grabenförmiges Angerdorf, hat sich teilweise bis heute erhalten. 1481, 1654, 1679 und 1713 litt die Bevölkerung St. Ulrichs besonders unter der Pest. In der Nähe von St. Ulrich soll sich 1679 auch die Pestgrube des Lieben Augustin befunden haben. In der Neustiftgasse wurde ihm ein Denkmal gesetzt: hier wurde eine Brunnenfigur von Josef Humplik (1952) anstelle eines alten Brunnen errichtet. Zur Reformationszeit war St. Ulrich ein Hauptstützpunkt der Protestanten.
Unweit davon errichtete 1710-1712 Johann Bernhard Fischer von Erlach ein Gartenpalais für Leopold Donat Graf Trautson, das später von Maria Theresia erworben und der Ungarischen Garde zugewiesen wurde. Nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten ist das Palais Trautson, in der Neustiftgasse vis á vis des Volkstheaters angesiedelt, heute Sitz des Bundesministeriums für Justiz.
Der Schatz der Mechitharisten
In das erste Kapuzinerkloster Wiens (1603) in der heutigen Mechitaristengasse / Neustiftgasse, das 1784 aufgehoben worden war, zogen 1810 aus Triest vertriebene armenische Mechitharisten. Nach dem großen Brand im Jahr 1835 wurde das Kloster 1835-1837 von Josef Kornhäusel neu erbaut und 1871 von Camillo Sitte im Stil der Neorenaissance renoviert. Die Mechitharisten installierten hier eine Druckerei, in der sie Werke in 41 Sprachen druckten. Die großartige Bibliothek des Klosters zählt zu den nur wenig bekannten Kulturschätzen Wiens.
Stadtauswärts von St. Ulrich befand sich eine Siedlung, die 1315 erstmals unter dem Namen "Neustift" genannt wurde und im Besitz des Schottenstifts war. Ab dem 16. Jahrhundert begann die Verbauung entlang der heutigen Neubaugasse, im 17. Jahrhundert auch die Verbauung entlang der Mariahilfer Straße. Auf dem Neubau haben sich bis heute alte Wiener Vorstadthäuser mit schönen Innenhöfen erhalten.
Der Feenpalast am Brillantengrund
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden auch die ehemaligen Felder des Schottenstifts langsam verbaut – hier entwickelte sich 1777 eine eigene Vorstadt unter dem Namen "Schottenfeld". Das Schottenfeld scheint bis 1820 auch unter dem Namen "Oberneustift" oder "Außerhalb St. Ulrich auf den Schottenäckern" auf. Josef II. siedelte hier Seiden- und Samtmanufakturen an. Wegen seines Reichtums wurde das Schottenfeld auch gerne "Brillantengrund" genannt – um 1800 gab es auf dem Schottenfeld etwa 300 Seidenfabriken.
1807 wurde in der Zieglergasse 15 der "Feenpalast" (auch Apollosäle genannt) errichtet, ein Freizeit- und Vergnügungspalast mit künstlichen Seen, Teichen und Grotten. 1839 wurde er allerdings in eine Seifensieder- und Kerzenfabrik umgewandelt und brannte 1876 ab. Um 1840 kam es zu einer schweren Krise der Schottenfelder Industrie, die ihren Höhepunkt 1848 erreichte und mit zum Ausbruch der Revolution beitrug. 1784-1787 wurde die Schottenfelder Pfarrkirche zum Hl. Laurenz an der heutigen Westbahnstraße erbaut.
Vom „Krowotendörfl“ zum Prostituiertenviertel
Die Vorstadt Spittelberg entstand erst im späten 17. Jahrhundert. Ab 1675 wurde das Gebiet entlang des Ottakringer Baches parzelliert, die Bewohner des dort befindlichen "Krowotendörfls" wurden in den heutigen 9. Bezirk übersiedelt. 1692 wurde der Grund vom Bürgerspital erworben. Die Vorstadt bekam unter der neuen Herrschaft den Namen "Spitalberg" (ab 1800 "Spittelberg"). Die Bewohner des dicht und platzsparend bebauten Spittelbergs waren vorwiegend arm, die engen Gassen (ohne Kanalisation) sowie das Fehlen von Höfen oder Gärten waren der Gesundheit nicht gerade förderlich. Im 19. Jahrhundert war der Spittelberg das Prostituiertenviertel der Stadt, das auch aufgrund seiner Kriminalität berüchtigt war. Heute ist dieser Stadtteil ein Beispiel für Luxussanierung – auch mit negativen Verdrängungseffekten einer Gentrifizierung. Dennoch ist es, durch die rege Beislszene sowie durch prägende Kultureinrichtungen wie Amerlinghaus oder Theater am Spittelberg, für viele WienerInnen und Wien-Besucher ein nach wie vor sehr beliebtes und lebendiges Stadtviertel geblieben.
Die Stiftskirche wurde 1739, nach Plänen von Joseph Emanuel Fischer von Erlach, erbaut. Von der Vorstadt Laimgrube (Wien 6.) fielen zwei Parzellenreihen entlang der Mariahilfer Straße und der Karl-Schweighofer-Gasse an den 7. Bezirk, dazu die heutige Stiftskaserne, die ursprünglich die Quarantänestation eines Waisenhauses war. 1756 errichtete Maria Theresia hier die "Savoyische Adelige Akademie", später wurde die Ingenieurakademie (Technische Militärakademie) in das Gebäude verlegt. Heute dient die Anlage als Kaserne. Während der NS-Zeit nutzte die deutsche Wehrmacht die Stiftskaserne und errichtete hier zwischen 1943 und 1944 den Partnerturm des Flakturms im Esterhazy-Park. Heute wird der Gefechtsturm in der Stiftgasse als Teil der Stiftskaserne vom Österreichischen Bundesheer genutzt.
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