16. Bezirk, Ottakring
Der 16. Bezirk verbindet Urbanes und Ländliches zugleich. Ursprünglich war Ottakring eine landwirtschaftlich geprägte traditionelle Heurigengegend, aber mit zunehmender Industrialisierung entstanden auch hier die typischen Zinshausviertel ähnlich wie in anderen Arbeiterbezirken, und auch große Gemeindebauten wie z.B. der Sandleitenhof. Die Bezirksfläche erstreckt sich vom Lerchenfelder Gürtel bis zum Wilhelminenberg, über die einstigen Weingärten und Felder von Neulerchenfeld. Auch heute noch findet man urige Wiener Heurige & Buschenschanken, je weiter man stadtauswärts kommt. In Gürtelnähe aber ist Ottakring der Inbegriff für ein buntes, multikulturelles Wien geworden – mit dem Brunnenmarkt, einem der letzten reinen Straßenmärkte in Wien, oder dem Yppenplatz, einem der lebendigsten und hippsten Stadtviertel zur Zeit. Ottakring zählt zu den „urwienerischen“ Bezirken; eine Vielzahl prominenter Wienerliedmusiker und Heurigensänger sind aus dem Bezirk hervorgegangen, und mit dem Ottakringer Bier gibt es ein weiteres „Wahrzeichen“ mit überregionaler Bekanntheit.
In den 1970er Jahren wurde Ottakring zum Modellprojekt für Wiens sanfte Stadterneuerung: Hier kam es zum ersten Partizipationsprozess Wiens, eröffnete das erste Gebietsbetreuungsbüro, wurde die erste Wohnstraße Österreichs realisiert und einer der ersten Nachbarschaftsparks gestaltet.
Zur Geschichte im Detail:
Am 1. Jänner 1892 wurde aus den ehemaligen Vororten Ottakring und Neulerchenfeld der 16. Wiener Gemeindebezirk „Ottakring“ gebildet.
Sonderstatus der Freihöfe von Ottakring
Ottakring wird erstmals um 1150 urkundlich erwähnt. Die Grundherrschaft in Ottakring hatte bis 1848 das Stift Klosterneuburg inne. Unabhängig davon existierten Freihöfe, die nur dem Landesherrn gegenüber steuerpflichtig waren.
Ein solcher Freihof war der Schottenhof Ecke Ottakringer Straße und Sandleitengasse. Er wird bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts genannt und war unter anderem im Besitz Ulrich von Eitzings; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam der Hof in den Besitz der Familie Maroltinger. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel erwarb das Schottenkloster 1777 den Freihof. 1964/65 wurde der uralte Bau abgerissen.
Zerstörung – ein Signal für den Neubeginn
Von Ottakring sind uns zwei Siedlungskerne bekannt: der ältere, um die 1790 abgetragene Lambertkirche auf dem Areal des heutigen Friedhofs, geht auf die bayrische Besiedlung des 9. Jahrhunderts zurück, der jüngere Siedlungskern, aus dem 11. Jahrhundert, ist ein Grabendorf entlang des Ottakringer Baches, das sich noch heute an der oberen Ottakringer Straße zwischen Sandleitengasse und der Vorortelinie erkennen lässt. Hier stehen die letzten alten Weinhauerhäuser des Bezirks, während der alte Ortsteil von Ottakring vollkommen der Spitzhacke zum Opfer gefallen ist. Während die Türkenbelagerung von 1683 dem Ortsteil um die Lambertkirche ein Ende bereitete, konnte sich die um das 1460 entstandene Wolfgangskirchlein wachsende Siedlung trotz Zerstörung durch die Türken und erneute Verheerung durch die Franzosen 1805 und 1809 besser über die Zeiten
hinwegretten. Es war dies in erster Linie ein Bauerndorf und bewahrte seinen ländlichen Charakter bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Ein Großbrand am 11. Mai 1835 vernichtete binnen einer Stunde 52 Häuser im alten Ortsteil und setzte das Signal zu einem Neubeginn. 1837 ließ die Gemeinde Ottakring zwischen Neulerchenfeld und Ottakring ein ausgedehntes Areal parzellieren. Das neue Siedlungsgebiet, Neu-Ottakring genannt, wuchs sehr rasch. Auf dem Stadtplan ist durch die rechteckige Rasterung noch heute das Areal der parzellierten Gründe deutlich erkennbar. Die St. Wolfgangskirche wurde 1912 durch einen neugotischen Backsteinbau ersetzt. Um 1700 entwickelte sich vor dem Linienwall eine neue Siedlung, die ursprünglich Unter-Ottakring genannt wurde.
Des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus
1703 erscheint erstmals der Name Neulerchenfeld. Das Lerchenfeld ist heute Bestandteil der Wiener Gemeindebezirke Neubau und Josefstadt (siehe Wien 7. und 8.). Der Linienwall, der auf den Verlauf alter Flur- und Siedlungsgrenzen keine Rücksicht nahm, trennte einen Teil des Lerchenfelds ab. Dieses unverbaute Gebiet bestand in erster Linie aus Weingärten. Die neue Ansiedlung entwickelte sich entlang dreier unterschiedlicher Straßenzüge, der Oberen Gasse (Gaullachergasse), der Mittleren Gasse (Neulerchenfelder Straße) und der Unteren Gasse (Grundsteingasse). Zwischen Gaullachergasse und Ottakringer Straße lagen am Linienwall das Invalidenhaus des Simon von Yppen, eine Stiftung des 18. Jahrhunderts, und ein Exerzierplatz, der zusammen mit angrenzenden Feldern im 19. Jahrhundert parzelliert wurde.
Die Thaliastraße entwickelte sich relativ spät und trug ursprünglich den Namen Neulerchenfelder Straße. Sie erhielt ihren heutigen Namen vom Thaliatheater, einem 1856 eröffneten Holzbau, in dem 1857 Richard Wagners "Tannhäuser" zum ersten Mal in Wien aufgeführt wurde. Der Name Neulerchenfelder Straße ging auf die alte Mittlere Gasse über. In der heutigen Grundsteingasse im Gasthaus "Zum Grünen Baum" lagen die Thaliasäle, die ihre Glanzzeit hatten, als die berühmten Volkssängerinnen Amalie Zeidler und Emilie Turecek, "die Fiaker-Milli", hier auftraten. Neulerchenfeld war wegen seiner vielen Gasthäuser und Weinschenken bekannt. Besonders hervorzuheben ist das Gasthaus "Zum Goldenen Fassl" in der Unteren Gasse, dessen Tanzsaal im Inneren eines gewaltigen 25.000-Eimer-Fasses errichtet war. Um 1800 bezeichnet der Lokalhistoriker Franz Gaheis Neulerchenfeld als "des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus". Nicht weniger als 103 von 150 Häusern besaßen damals die Schankgerechtigkeit.
Zentrum der Arbeiterbewegung und Wiege der Sozialdemokraten
1713 wurde Neulerchenfeld, in dem vor allem Handwerker und kleinbürgerliche Gewerbetreibende sowie Kleingärtner und Gartenbaubetriebe angesiedelt waren, schwer von der Pest getroffen, vergrößerte sich aber trotzdem durch Zuzug immer mehr. 1732-1753 wurde die Neulerchenfelder Pfarrkirche erbaut. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Ottakring und Neulerchenfeld in wachsendem Maße zu Arbeitersiedlungen, und vor allem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden hier in unschöner Regelmäßigkeit die freudlosen Zeilen der Zinskasernen. Entsprechend wurde der neue Bezirk Ottakring aber auch zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung und entsandte mit dem später ermordeten Franz Schuhmeier einen der ersten Sozialdemokraten in den Wiener Gemeinderat.
In der Ersten Republik entstanden im Bezirk einer Reihe von Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien, darunter die große Anlage des Sandleitenhofes, dessen Bau 1924 begonnen wurde. Der aus rund 1.600 Wohnungen bestehende bemerkenswerte Gebäudekomplex liegt inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Ein Erholungsgebiet des 16. Bezirks ist der Gallitzinberg, der seinen Namen nach dem russischen Botschafter Dimitri Fürst Gallitzin erhielt, der sich dort 1785 ein Sommerschlösschen erbaut hatte. Im Volksmund wird der Berg einfach "Galiziberg" genannt. Später bürgerte sich der Name "Wilhelminenberg" ein. Im Park des Schlosses war in den Nachkriegsjahren die biologische Station der Akademie der Wissenschaften untergebracht. Ottakring und Neulerchenfeld hatten zu jenen Orten gehört, die gegen ihre Eingemeindung nach Wien besonders heftig opponierten. Nachdem die Eingemeindung aber schließlich trotzdem beschlossen wurde, fällten die niederösterreichischen Landesbehörden eine Entscheidung: Der neue Bezirk wurde Ottakring benannt, und gleichsam im Kompensationsweg wurde der Bürgermeister von Neulerchenfeld der erste Bezirksvorsteher.
Modellprojekt Ottakring für Wiens sanfte Stadterneuerung
In Ottakring lag das erste Sanierungsgebiet Wiens, auch wenn es anfangs zur Assanierung bestimmt war – sprich, ein weitgehender Abriss und Neubau erfolgen sollte. Dem Engagement engagierter Planungsbeamter und Architekten um eine sozial verträglichere Modernisierung des gründerzeitlichen Stadtgebiets ist es zu verdanken, dass dieses Grätzel schließlich zum Modellfall für Wiens sanfte Stadterneuerung wurde. Hier kam es zum ersten Partizipationsprozess Wiens, eröffnete das erste Gebietsbetreuungsbüro, wurde die erste Wohnstraße Österreichs realisiert und einer der ersten Nachbarschaftsparks gestaltet.