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2. Bezirk, Leopoldstadt

Wir laden Sie ein zu einer StadtFlanerie durch die Leopoldstadt, dem Bezirk auf der „Insel“, zwischen Donau und Donaukanal. Auf dem Gebiet der ehemaligen Donauauen entstanden, ist er mit Prater und Augarten auch heute noch einer der grünsten Bezirke Wiens. Der Bezirk liegt am Wasser, nahe am Stadtzentrum, und vereint die „historische Stadt“ mit moderner Stadterweiterung und zeitgenössischer Architektur. Der 2. Bezirk wird auch „Mazzesinsel“ genannt, weil sich das jüdische Leben Wiens – sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart – am stärksten in der Leopoldstadt konzentriert. Jüdische Schulen, Vereine, Synagogen, koshere Geschäfte, Restaurants und auch das Straßenbild zeugen von einer lebendigen Szene. Die Leopoldstadt ein sehr urbaner Bezirk, mit Märkten, einer regen Künstlerszene, interessanter Architektur und einer Vielzahl an großen Stadtentwicklungsprojekten. Dadurch ist der Bezirk facettenreich und vital wie kaum ein anderer in Wien, und durch innere Stadterweiterung – z.B. auf den Arealen von Nordbahnhof oder Nordwestbahnhof, wird er in den nächsten Jahrzehnten weiter „wachsen“.

Zur Geschichte im Detail:
Im Zuge der Eingemeindung der Wiener Vororte am 6. März 1850 wurden die Vorstädte Leopoldstadt und Jägerzeile, aber auch Teile von Zwischenbrücken (heute Wien 20), Kaiser-Ebersdorf (heute Wien 11) und der Ort Kaisermühlen (heute Wien 22) zum 2. Wiener Gemeindebezirk "Leopoldstadt" zusammengefasst. 1900 wurde der nordwestliche Bezirksteil als 20. Bezirk "Brigittenau" abgetrennt, 1938 wurde Kaisermühlen an den neuen 22. Bezirk abgetreten.

Von der Inselgruppe zur Vorstadt
Der Ursprung des heutigen 2. Bezirks ist der Untere Werd, eine Inselgruppe der unregulierten Donau gegenüber dem "Roten Turm", der 1300 erstmals erwähnt wurde. 1414 erwarb die Stadt Wien einen Teil dieses Gebietes. Bis 1450 wurde das Gebiet zwischen der heutigen Hollandstraße und der Praterstraße besiedelt, kurz darauf entstanden auch nördlich dieses Gebietes Ansiedlungen. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Klöster der Barmherzigen Brüder und der Karmeliter im Unteren Werd erbaut.

1625 wurde zwischen der Taborstraße und dem Platz "Auf der Haide" ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung eingerichtet. 1669 wurden die Juden aus dem Unteren Werd vertrieben, das Gebiet des ehemaligen Ghettos ging in den Besitz der Stadt Wien über und erhielt 1671 den Namen Leopoldstadt. Die Synagoge wurde abgerissen und an ihrer Stelle die Leopoldskirche errichtet, die 1683 der Türkenbelagerung zum Opfer fiel, 1722-1724 wieder aufgebaut und 1945 abermals zerstört wurde. Die Restaurierung der Kirche wurde erst 1972 beendet.
1650 ließ Kaiser Ferdinand III. den Augarten anlegen. 1677 erwarb Leopold I. das Trautsonsche Lustschloss im Augarten und ließ es zur kaiserlichen Residenz – zur sogenannten "alten" Favorita ausbauen, die nach den Zerstörungen durch die Türkenbelagerung im Jahr 1683 erweitert wieder aufgebaut wurde.

Für das Volk: Augarten und Prater
1775 wurde der Augarten durch Kaiser Joseph II. für die Bevölkerung geöffnet. Seit 1782 fanden hier die sogenannten "Morgenkonzerte" statt, die u.a. von Wolfgang Amadeus Mozart dirigiert wurden und hochkarätiges Publikum anzogen. Unter Joseph II. erlebte der Augarten seine Blütezeit und nahm einen schillernden Platz im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Wiens ein, er war Schauplatz von Volksfesten und Bällen, später wurden hier Sommerfeste, Wettläufe und "olympische Spiele" veranstaltet. Nach Mozart wirkten auch Beethoven, Schubert, Strauß, Lanner u.a. als Komponisten oder Kapellmeister bei Konzerten im Augarten. 1897 wurde das Palais aufgestockt und vergrößert.

Im Zweiten Weltkrieg wurden im Augarten die zwei Flaktürme errichtet, der runde Geschützturm und der rechteckige Feuerleitturm. Heute ist der Augarten – Wiens älteste barocke Gartenanlage – stark frequentierter öffentlicher Grünraum für die Bevölkerung des 2. und 20. Bezirks sowie Sitz und Wirkungsbereich vielfältiger Kulturinstitutionen wie Filmarchiv Austria, TBA 21, Bunkerei Augarten, Wiener Sängerknaben, Porzellanmanufaktur Augarten, Filmarchiv Austria u.a. Der Aktionsradius Wien (früher Aktionsradius Augarten) hat durch eine Vielzahl an Openair Festen, Weltmusikreihen, Klassik Picknicks und temporäre Kunstaktionen einen wesentlichen Beitrag zur Aufwertung und Attraktivierung des Augartens während der letzten Jahrzehnte geleistet.
Aufgrund seiner Standortgunst und verbunden mit der kontinuierlichen Aufwertung war der barocke Augarten in den letzten Jahrzehnten immer wieder ein stark umkämpfter Raum. Dies rief gleichzeitig immer mehr Protest- und BewohnerInnen-Initiativen auf den Plan, die „ihren“ Park, der seit 2000 auch unter Denkmalschutz steht, vor weiteren Verbauungen schützen wollen. Beim Projekt „Konzerthalle“ am Augartenspitz haben sich diese Fronten zugespitzt.

Im 18. und 19 Jahrhundert wurde die Leopoldstadt von Überschwemmungen heimgesucht. Im Vormärz entstanden hier einige Vergnügungsetablissements, u.a. der "Sperl", das Odeon und das Leopoldstädter Theater. Der Prater, ein bereits 1403 urkundlich (als "Pratter"; lat. pratum = Wiese) erwähntes Gebiet in den Donauauen, wurde von Kaiser Maximilian II 1506 samt den umliegenden Auen erworben und als kaiserliches Jagdgebiet genutzt. Um 1569 siedelte Maximilian II seine Hofjäger in der sogenannten Venediger Au (der heutigen Praterstraße) an. Schnell setzte sich der Name "Jägerzeile" für die Siedlung durch, die Bezeichnung "Venediger Au" verschwand. Erst 1630-1647 erfolgte die Verbauung der restlichen Au.
Nachdem Josef II. den Prater am 7. April 1766 der Bevölkerung zugänglich gemacht hatte, wurde die Jägerzeile eine der vornehmsten Gegenden rund um Wien. Im 19. Jahrhundert erhielt die Jägerzeile schließlich den Namen Praterstraße. 1872 wurde am Ende der Praterstraße der "Praterstern" angelegt, in den sieben Straßen sternförmig einmündeten. In der Nähe des Pratersterns entwickelte sich das Vergnügungsviertel des Wurstelpraters, das sich vor allem im 19. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreute. 1873 wurde im Prater eine Weltausstellung abgehalten. Dazu wurde ein großes Gelände mit Ausstellungshallen angelegt, in dessen Zentrum die Rotunde (1937 abgebrannt) stand. Heute befindet sich hier das Messegelände.

Neben dem Praterstern lag der 1837/38 im Stil des früheren Historismus erbaute Nordbahnhof, der 1944/45 durch Bomben zerstört wurde. Die Verkehrsstrecken der aufgelassenen Nordbahn im Umkreis der Stadt Wien wurden zum Teil von der heutigen Schnellbahn übernommen, der Praterstern wurde 1954/55 verkehrstechnisch völlig neu gestaltet.

Die Mazzesinsel
Um den Nordbahnhof kam es im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem verstärkten Zuzug von Juden aus den Ostgebieten der Monarchie, wodurch die Leopoldstadt den Beinamen "Mazzesinsel" bekam. Die jüdischen Zuwanderer lebten zum Teil unter unvorstellbar ärmlichen Bedingungen. Nach 1938 versuchte das NS-Regime, die Leopoldstadt wieder zum Ghetto zu machen, indem es Juden aus allen Teilen Wiens in diesem Bezirk zusammenpferchte. Wöchentlich wurden etwa 1000 Juden in Konzentrationslager abtransportiert. 1938 lebten in der Leopoldstadt etwa 50.000 Juden, 1945 waren es nur noch etwa 500. Erfreulicherweise hat sich das jüdische Leben im 2. Bezirk in den letzten Jahren wieder sehr lebendig entwickelt, im Karmeliterviertel, rund um das Lauder Chabad Zentrum nördlich des Augartens, sowie im Prater rund um das neuangelegte Hakoah Sport- und Freizeitzentrum. 

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Essay

Stuwerviertel

Ein Stadtviertel im Umbruch

«Gentrification» oder eingedeutscht «Gentrifizierung» nennt man die Aufwertung zentrumsnaher Stadtviertel, abgeleitet von «gentry», der niederen englischen Adelsschicht. Salopp wird dieser Prozess auch «Boboisierung» genannt, abgeleitet von «Bobo», die Abkürzung von «bourgeois bohemian». «In Vierteln, in denen bisher eine ärmere Bevölkerung gelebt hat, kommt es zu einer Veränderung“, erklärt der Stadtentwicklungsexperte und TU-Dozent Rudolf Giffinger. «Die Häuser und Wohnungen werden attraktiver. Das zieht sozial höherrangige Schichten an.» So manch gentrifiziertes Viertel habe als Treffpunkt der Bohème schon Weltruhm erlangt: Soho und Tribeca in Manhattan, Prenzlauer Berg und Kreuzberg in Berlin, das Hamburger Schanzenviertel, der Stadtteil Vinohrady in Prag oder Kazimierz in Krakau. Vielleicht lässt sich in zehn Jahren auch das Stuwerviertel in  Wien-Leopoldstadt in diese Liste einreihen. Der dem Viertel benachbarte riesige Komplex der neuen Wirtschaftsuni zwischen Wiener Messe und Wurstelprater wird ein beschleunigender spezifischer Faktor für die Zerstörung des bisherigen Charakters des Stuwerviertels sein, dessen «Volk» – noch! – von MigrantInnen, Prostituierten, Strizzis und niedrigverdienenden PensionistInnen geprägt ist.

Amerikanische Stadtsoziologen haben herausgefunden, dass die Gentrifizierung eines Stadtteils fünf bis zehn Jahre dauert. Danach sind Mieten und Lebenshaltungskosten für die Avantgarde zu hoch. Die Avantgarde, das sind zumeist StudentInnen und KünstlerInnen, die den betreffenden Stadtteil entdeckten, solang die Mieten hier noch niedrig waren und weil sie die Gegend auf eine aufregende Weise als räudig empfanden. Sie sind die unfreiwilligen Pioniere der kommenden Aufwertung des Grätzls. Ist die Aufwertung «gelungen», zieht die Avantgarde weiter und erschließt das nächste Stadtviertel für die Nachzügler. Im zusammenwachsenden Berlin sei auf diese Art – fast ohne staatliches Zutun – das ganze Stadtzentrum aufgewertet und umgemodelt worden, schrieb die deutsche TAZ. Der ärmeren Bevölkerung, die hier bis zur Wende gelebt hatte, war das Leben zu teuer geworden – viele zogen in die Vororte. Gentrifizierung bedeutet also vor allem, dass einkommensschwache Menschen verdrängt werden.

Wer sind diese Menschen, die im Stuwerviertel zu den ersten Opfern dieses Prozesses gezählt werden können? Ohne Zweifel zählen die SexarbeiterInnen zu ihnen. Der Straßenstrich wurde zunächst im Stuwerviertel, dann auch im benachbarten Prater verboten, was zu folgenden Auswirkungen führen kann: Prostituierte, die nicht in einer Bar arbeiten wollen, um möglichst unabhängig zu bleiben, die aber ihre Arbeitsstelle auch nicht an die Hütteldorfer Peripherie verlegen wollen, weil sie dort ungeschützt dem Terror der Freier ausgesetzt sind, kehren ins Stuwerviertel zurück, getarnt mit Jeans und Turnschuhen. Sie werden hier spazieren gehen und sich bemühen, rechtzeitig zu unterscheiden, ob ein heranrollendes Auto ein Kunde oder ein Zivilpolizist ist. Denn schon die Anbahnung ist strafbar, und als Anbahnung wird auffälliges Anblicken eines Autofahrers genauso gewertet wie das Bitten um eine Zigarette oder jede Form von Gespräch. Das führt dazu, dass im Stuwerviertel inzwischen das Miteinandersprechen erwachsener Menschen auf der Straße verboten ist. SexarbeiterInnen häufen tausende Euro von Strafen an und müssen die dann oft im Gefängnis absitzen. Viele Männer bezahlen die Strafe sofort und ohne sich zu empören. Vermutlich aus Angst, ein blauer Brief könne daheim unangenehme Fragen aufkommen lassen. 


«Sexarbeit gehört zur Pratergegend wie die Gondeln zu Venedig», meint Tanja Boukal von der Stuwerviertel_BürgerInneninitiative «Rotlicht statt Blaulicht». «Jeder und jede, die hierher gezogen ist und hier eine billige Wohnung gemietet hat, wusste, dass die Mieten billig sind, weil man in einem Rotlichtviertel wohnt. Jetzt wird das ein innenstadtnahes Luxusviertel. Die Häuser werden luxussaniert, die Dachböden ausgebaut. Weil die Wirtschaftsuniversität hierher gebaut wurde, sollen die SexarbeiterInnen vertrieben werden. Wir sehen die Polizeischikanen gegen SexarbeiterInnen als Hilfsdienste für die Immobilienspekulanten.» Die Initiative führt sozusagen einen Zweifrontenkrieg: gegen die Stadtregierung, die die Prostitution in die Kriminalität treibt, und gegen Feministinnen, die ein Verbot der Sexarbeit fordern.

Die Wiener Straßenzeitung Augustin ließ den Rotlicht-Unternehmer Walter Gerhard Piatny zu Wort kommen, nachdem sein Lokal zum vierten Mal geschlossen worden war. Seine Meinung, die Politik der Rathausspitze habe Auswirkungen, die von dieser so nicht gewollt sein könne, klingt plausibel: «Im Stuwerviertel präsentierte sich die sprichwörtliche ‚Brodahua’ (Praterhure), bestöckelt und aufgemascherlt wie dem Image entsprechend, in den nächtlichen Straßen. Bis ein Magistratsbeamter auf die Idee kam, das Stuwerviertel sei ein Wohnviertel. Und wo Menschen wohnen, müssten sie vor Prostituierten geschützt sein. Die Bordsteinschwalben, wie man die Huren nannte, sind bestraft worden. Was war die logische Folge? In dem Maß, in dem die Polizei abkassiert hat, haben die Mädchen mehr arbeiten müssen. Sie haben also begonnen, auch tagsüber zu arbeiten. Am Tag aber haben sie sich nicht mehr so hergerichtet wie früher in der Nacht. Die Uniformierung mit hochhackigen Stiefeln, kurzen Miniröcken, Pelzmänteln usw. wurde obsolet. Die normale Straßenkluft wurde die Berufsbekleidung der Huren: Jeans, T-Shirt, Turnschuhe. Die ‚Hausfrau’ war nicht mehr zu unterscheiden von der Bordsteinschwalbe. Der Freier, der auf der Suche nach Prostituierten mit seinem Auto durch das Stuwerviertel surfte, konnte nun jede Frau ansprechen, die er traf.»

Schönes Leben im «Drecksviertel»

Themenwechsel. MigrantInnen mit Dauer-Minus am Konto verkörpern sozusagen die Stuwerviertler Leitkultur. N o c h  können sie, wie der aus Ex-Jugoslawien stammende Philosoph und bekennende Stuwerviertel-Fan Ljubomir Bratic, die Frage stellen: «Wo sonst gibt es so eine Lebensqualität wie hier?» Das ist ein völlig ungewohntes Güte-Attest für den Leopoldstädter Bezirksteil zwischen Praterstern und Mexikoplatz, der in den Mainstreammedien nur in Gemeinschaft mit Begriffen wie Dreck, Schmutz, Prostitution, Illegalität und Kriminalität genannt oder in «anspruchsvolleren» Medien mit Parallelgesellschaft, Ghetto oder Integrationsunwilligkeit assoziiert wird.

Ljubomir Bratić meint das aber ganz ernst mit dem Schönen Leben im «Drecksviertel». So nahe an der Donauinsel, gleichzeitig so nahe dem Stadtzentrum – wo gibt´s das noch? Schau mal, diese wunderschönen Alleen, wo gibt´s die noch in Wien? Im Schanigarten der türkischen Pizzeria Maradonna sitzen, das beste Kebab der Stadt genießen und dem mediterranen Treiben des Ilgplatzes folgen, der von der «Krone» zum «hässlichsten Platz Wiens» gekürt wurde, weil er einer ihr unheimlichen Öffentlichkeit Freiraum gibt – kann ein lauer Abend irgendwo schöner sein? Nach einer Studie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie ist das Stuwerviertel keineswegs ein besonders gefährliches Viertel der Stadt. Ljubomir Bratić: «Es scheint eher so zu sein, dass wir hier die Durchsetzung eines ganz bestimmten Ordnungsdiskurses miterleben: Darum alle die von Zeit zu Zeit herumwandernden Betonstraßensperren, darum die ununterbrochene Polizeipräsenz, wo man nur hinschaut, und darum auch die Menschenjagd durch die nächtliche Lokalszene.»

Die seltsamen Betonstraßensperren, auf die Stuwerviertel-FlaneurInnen unweigerlich stoßen, sollen motorisierte Freier vom Rundendrehen abhalten. Die Fahrer von Autos mit Gänserndorfer, Mistelbacher und Hollabrunner Kennzeichen sind übrigens zu den üblichen Feindbildern hinzu gestoßen. Tatsächlich schwirrten eine Zeitlang Überlegungen im Raum, Autos mit solcher Herkunft den Zutritt zum Stuwerviertel zu verbieten. «Tschuschen», Huren und Gänserndorfer bilden die Achse des Bösen – eine imaginäre Gefahrenkombination, die allein schon einen Besuch des Stuwerviertels interessant macht...

Robert Sommer


INFO-BOX

Lokaltipps Stuwerviertel:

lokativ, die Schnapsbar
1020, Arnezhoferstraße 12
www.lokativ.at

Café Dezentral
1020, Ilgplatz 5
Schanigarten, Livemusik, Holzofen, Freistädter Bier
01 72 80 144
www.facebook.com/dezentral

Restaurant Le Cédre
1020, Ausstellungsstraße 51
Libanesische Küche
www.restaurant-lecedre.at

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FlanerieTipps

Augarten

Allen Menschen gewidmeter Erlustigungsort

Besuchen Sie den Augarten, den ältesten Barockgarten Wiens! Der Park wurde von Kaiser Josef II. 1875 „für das Volk geöffnet“, und verbindet heute barocke Gartenkunst, Freizeitaktivitäten und Naherholung mit einer einzigartigen kulturellen Tradition und Vielfalt. Als stumme Zeugen des Nationalsozialismus prägen zwei ca. 50 Meter hohe Flaktürme das Erscheinungsbild des barocken Gartens bis heute. Der Augarten hat vieles zu bieten: Lassen Sie im wunderbaren Gastgarten der Bunkerei unter Kastanien und Linden die Seele baumeln, oder besuchen Sie zeitgenössische Ausstellungen im TBA 21 oder traditionelles Handwerk im Porzellanmuseum Augarten. www.kultur.park.augarten.org

Übrigens, in der Bunkerei Augarten gibt´s ab 12. Juni auch Public Viewing zur Fußball WM, sowie ab 29. Juni jeden Sonntag ab 18.00 Uhr Silent Music im Gastgarten, 2014 unter dem Motto „Weibersommer“. www.bunkerei.at.

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Vom Josephstöckl zum Lusthaus

Wussten Sie, dass Kaiser Josef II. den Augarten zu seiner Sommerresidenz wählte? Hier ließ er sich 1781 ein kleines Wohnhaus  erbauen, das „Joseph-Stöckl“, vermutlich sogar nach eigenen Plänen. Ausgehend von diesem Sommerhaus im Augarten ließ Joseph II. eine städtebauliche Achse zum Lusthaus im Prater herstellen und mit 900 Kastanienbäumen als Allee ausgestalten. So hatte er von seiner Sommerwohnung Ausblicke bis zum Lusthaus im Prater, und auf der anderen Seite bis zum Leopoldsberg und Kahlenberg. Vielleicht haben Sie Lust, diese außergewöhnliche Stadt-Achse nachzuwandern? Vom Joseph-Stöckl ausgehend, über die Heinestraße und Prater Hauptallee bis zum Lusthaus… Und wenn Sie sich die Augartenmauer und den Verkehrsknoten Praterstern wegdenken, werden Sie sehen, dass Sie in einer einzigen langen Allee dahinflanieren …

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Im Karmeliterviertel, im Zentrum der „Mazzesinsel“, befand sich bis 1670 die „Judenstadt“ – und auch heute weist das Viertel wieder einen relativ hohen Anteil an orthodoxen Juden auf, die auch das Straßenbild prägen. Mit Synagoge, Thoraschule, koscheren Geschäften, dem bunten Treiben am Karmelitermarkt und einem dichten Netz an (Szene)Gastronomie und Schanigärten sollte das Grätzel in jeden Leopoldstadt-Besuch eingeplant werden! (Achtung: Sonntag ist der Markt samt Lokalen geschlossen!) – In der Umgebung gibt es auch koschere Lokale wie z.B. das Simchas oder Bahur-Tav in der Taborstraße, das Novellino in der Zirkusgasse oder das Samarkand am Volkertmarkt. Das Sport und Freizeitzentrum der Hakoah, traditionsreicher und erfolgreicher jüdischer Sportverein, befindet sich ebenfalls im 2. Bezirk, auf einem ca. 20.000 m² großen Grundstück direkt bei der U2 Station Donaumarina. www.hakoah.at

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Kennen Sie das Odeon Theater im 2. Bezirk? Falls nicht, dann sollte ein baldiger Besuch unbedingt eingeplant werden. Das Odeon steht für einen eindrucksvollen Theatersaal und für außergewöhnliche Produktionen. Das einzigartige Ambiente des Saales im klassizistischen Stil der italienischen Renaissance macht einen Veranstaltungsabend wirklich zu einem bleibenden Erlebnis. Der Theatersaal war ursprünglich der große Saal der Börse für landwirtschaftliche Produkte, in deren Haus das Odeon untergebracht ist. Er wurde in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut und in den letzten Kriegstagen 1945 durch einen Brand schwer beschädigt. Daher blieb er lange Zeit über unbenutzt, bis das Serapions Ensemble ihn 1988 als Veranstaltungsstätte adaptierte. www.odeon.at

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Seit 2009 hat die Leopoldstadt ein weiteres, beindruckendes Theater im Bezirk: das Theater Nestroyhof – Hamakom. Der Nestroyhof wurde 1898 vom jüdischen Wiener Architekten Oskar Marmorek erbaut und hat seither eine sehr intensive und wechselvolle Geschichte erlebt. 1899 wurde das „Etablissement Nestroy-Säle“ eröffnet, eines der bekanntesten Vergnügungsetablissements Wiens, danach erlebten die Theaterräume ganz unterschiedliche Nutzungen durch das „Intime Theater“, die Karl Kraus Theatergruppe „Trianon“, als Kino-/Lichtspielhaus, als „Tanzbar Sphinx“, durch die „Jüdischen Künstlerspiele“ u.a. Mit dem „Anschluss“ im März 1938 nimmt das gesamte jüdische Kultur- und Theaterleben ein jähes Ende, 1940 folgt die Arisierung. In der Nachkriegszeit wurde das „Nestroykino“ eröffnet, ab 1975 zogen Supermärkte in die ehemaligen Theaterräume ein. Ab 1997 werden die Theaterräume für die Kunst wiederentdeckt und 2009 wird das Theater Nestroyhof-Hamakom eröffnet. Das Theater verfügt über einen einzigartigen, im Jugendstil konzipierten Theatersaal im Innenhof des Gebäudes, ausgestattet mit einer mit prächtigem Stuck versehenen Galerie und einer eindrucksvollen Glasdecke. Im Theater Nestroyhof Hamakom werden vorrangig Theateraufführungen produziert, die inhaltlich und ästhetisch von der spezifischen Geschichte dieser Spielstätte und seiner Umgebung inspiriert sind. Das Theater setzt sich mit dem Begriff „jüdische Kultur“ auseinander und versteht sich als Spielort für gesellschaftliche Reibungsflächen, Konflikte, Denkfelder, Bewegungen und Strömungen. www.hamakom.at

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Will man „die Leopoldstadt der Zukunft“ kennen lernen, kann man die Zonen entlang der Lasallestraße erkunden sowie das Nordbahnhofgelände, einst Teil der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und später Güterfrachtenbahnhof. Sie sind gegenwärtig durch ein enorm dynamisches Baugeschehen und eine Vielzahl städtebaulicher Großprojekte gekennzeichnet, weiterführend über das neue Messegelände bis hin zur neuen Wirtschaftsuniversität reiht sich hier ein städtebauliches Großprojekt an das nächste. Hier kann man stundenlang spazieren und viele Facetten des „neuen“ Wien entdecken, gelungene und weniger gelungene.

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Am Beginn der Taborstraße wurde mit dem Bau des Stilwerks/Sofitels ein architektonisches Markenzeichen und „Tor“ in die Leopoldstadt geschaffen. Der französische Architekt Jean Nouvel kreierte hier, inmitten der Altstadt-Silhouette und vis à vis des Media Towers des Architekten Hans Hollein, einen steil aufragenden Turm auf einem gläsernen Sockel. Untergebracht ist darin das Sofitel Vienna, ein Luxushotel sowie das Stilwerk, ein Zentrum für Einrichtung, Design und Lifestyle. Aber auch wenn man nichts einkaufen möchte, ist ein Spaziergang durch das Stilwerk zu empfehlen. Beeindruckend ist die Architektur als Ganzes sowie viele interessante Durchblicke und Details, wie z.B. eine begrünte Feuermauer. Als „Höhepunkt des Gebäudes“ wurde im letzten Stock des Hotels Sofitel Vienna das Restaurant Le LOFT eröffnet. BesucherInnen im Restaurant oder an der Bar werden mit einer wunderbaren Aussicht über die Stadt belohnt. Eine zehn Meter hohe, ungeteilte Glaswand bietet einen atemberaubenden Panoramablick, und vor allem in der Dämmerung strahlt die in leuchtenden Farben von der Künstlerin Pipilotti Rist geschaffene schimmernde Decke im Abendhimmel weiter. www.designtower.at

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Museum Praterstraße 54

Wussten Sie, dass Johann Strauß Sohn (1825 – 1899) mit der Leopoldstadt eng verbunden war? Im Haus "Zum goldenen Hirschen" in der heutigen Taborstraße 17 wohnten die Eltern und Geschwister, später auch die Schwägerinnen und deren Kinder. Er selbst lebte 1863 bis 1870 in der Praterstraße 54 (vor der Eingemeindung der Leopoldstadt 1850 Jägerzeile genannt). Mit dem Haus Praterstraße 54 ist auch die Komposition des Donauwalzers verbunden. Dieses Werk Opus 314, der Walzer "An der schönen blauen Donau", feierte im nahe gelegenen, inzwischen nicht mehr bestehenden Dianasaal am 15. Februar 1867 in einer heute ungewöhnlich anmutenden Fassung – von einem Männerchor gesungen – seine Premiere. Die Johann-Strauss-Wohnung wird als Außenstandort des Wien Museums geführt und kann Dienstag bis Sonntag von 10-13 und 14-18 Uhr besichtigt werden. www.wienmuseum.at

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Das aus der Privatsammlung Heino Seitler entstandene Circus- u. Clownmuseum Wien war lange Zeit im Karmeliterviertel angesiedelt, nun ist es in neuen Räumlichkeiten am Ilgplatz im Stuwerviertel zu finden. Maler und Dichter holten sich hier Anregungen für Sujets und Themen, André Heller nannte das Museum einmal „Archiv der wirklichen Träume und geträumten Wirklichkeiten!".

Im Circus- und Clownmuseum wird die Geschichte der Unterhaltungskünste und der Wiener Unterhaltungsstätten wissenschaftlich, unterhaltsam und auch skurril aufbereitet, mit historischen Exponaten und Modellen belegt. Hier erfahren Sie Wissenswertes über in Vergessenheit geratene Künste wie Circus, Clownerie, Akrobatik, Bauchredner, Dompteure und Zauberkunst, darüber hinaus laden Veranstaltungen und Spezialführungen auch zu interaktiven Erlebnissen ein!

Der 2. Bezirk ist übrigens ein geschichtsträchtiger Boden, hier waren einst Circus- und Varietélokale wie Gymnasticus, Cabaret Renz, Busch und Zentral angesiedelt.
www.circus-clownmuseum.at
 

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Skurriles aus der Wiener Unterhaltungskultur

Als Sondermuseum des Wien Museum Karlsplatz zeigt auch das Pratermuseum die historischen Veränderungen der schaurig schönen Wiener Unterhaltungskultur.
 Angesiedelt im Prater, im Gebäude des Planetariums gleich neben dem Riesenrad, sind hier historische Objekte, Skurrilitäten und Erinnerungsstücke ausgestellt, aber auch das große Originalmodell der Wiener Weltausstellung von 1873. www.wienmuseum.at

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Das Integrationshaus in der Engerthstraße 183 besteht seit 1995 und ist ein anerkanntes Kompetenzzentrum: Hier gibt es Hilfe für Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und MigrantInnen in 40 Sprachen! Neben dem Beratungs- und Betreuungsbereich organisiert das Integrationshaus auch eine Vielzahl an Projekten in der Bildungs- und Kulturarbeit. Durch den Besuch von Veranstaltungen oder durch ehrenamtliche Mitarbeit kann das Integrationshaus auch näher kennen gelernt oder unterstützt werden. www.integrationshaus.at

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Hörbuch

Die Leopoldstadt – Ein Inselbezirk mit Charme, Urbanität, Vielfalt und pulsierendem Leben

„Wenn ich in der Stadt spazieren geh’ und merke, eben die Schwedenbrücke überquert zu haben, so wird mir bewusst, welch Sogwirkung die Leopoldstadt  auf mich ausübt“, sagt der im Bezirk aufgewachsene Künstler Peter Ahorner. So wie ihm, geht es vielen anderen auch. Wo liegen die Gründe für die enorme Anziehungskraft dieses Stadtteils drüber dem Donaukanal - was macht ihn derart interessant?

Der Reiz liegt vor allem an der Vielfalt an Plätzen und Gegenden, die unterschiedlicher nicht sein könnten und in ihrer Gesamtheit etwas vermitteln, das unglaublich anziehend wirkt. Hinzu kommt der gewisse Charme des Inselbezirks: das Wasser - Donaukanal und Donau - unterstreichen die ohnehin stark spürbare Lebendigkeit der Leopoldstadt: ja, in diesem Bezirk pulsiert das Leben und ehemals verschlafene Viertel scheinen zu erwachen: Lokale entstehen auf Plätzen, denen man früher nicht die geringste Beachtung schenkte und das kulturelle Angebot wird zusehends bunter und vielfältiger. Selbst ehemals „verruchte“ Gegenden, wie etwa das Stuwerviertel, sind plötzlich „in“.

Es scheint, als würden diese positiven Entwicklungen einen Kontrapunkt zu jenen dunklen Perioden darstellen, in denen die jüdische Bevölkerung unter dem damals dort herrschenden Antisemitismus zu leiden hatte.
Und auch der jahrhundertelang als „Stadtspalt“ erlebte Donaukanal hat seine abgrenzende Wirkung endlich verloren: Kaum jemand wird heute dieses Gewässer als trennende Linie empfinden, sondern vielmehr als ein wunderbares Entrée in einen besonderen Bezirk.

Interviews mit Peter Ahorner, Gustav Böhm, Alfred Karrer, Marcello La Speranza, Bob Martens, Peter Payer, Leon Pollak, Uschi Schreiber, Raja Schwahn-Reichmann, Claus Süss geben Einblick in sehr persönliche Geschichten zur Leopoldstadt.

Carola Timmel
Redakteurin des Hörbuchs Leopoldstadt


Mit Interviews von

Peter Ahorner, Gustav Böhm, Alfred Karrer, Marcello La Speranza, Bob Martens, Peter Payer, Leon Pollak, Uschi Schreiber, Raja Schwahn-Reichmann, Claus Süss


Tracklist

[1] „Stadtspalt“
[2] Der Donaukanal
[3] Die Geschichte der Leopoldstadt
[4] Die jüdische Leopoldstadt
[5] Virtuelle Synagogen
[6] Klesmer, Mozart und der Augarten
[7] Praterstern, Hauptallee und Wurstelprater
[8] Zwischen Nordbahnhof und Stuwerviertel

Gesamtspielzeit: 78:47


Musikbeiträge von:

Astrid*Walenta, Esmeraldas Taxi; Ernst Molden; Erstes Wiener Heimorgelorchester; Sigi Finkel & African Heart, Ensemble Klesmer Wien; Tini Trampler & die Dreckige Combo

Flanerien konkret

Derzeit gibt es keine aktuellen Termine für Stadtführungen im 2. Bezirk. Infos zu aktuellen StadFLANERIEN des Aktionsradius Wien unter office@aktionsradius.at.