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16. Bezirk, Ottakring

Der 16. Bezirk verbindet Urbanes und Ländliches zugleich. Ursprünglich war Ottakring eine landwirtschaftlich geprägte traditionelle Heurigengegend, aber mit zunehmender Industrialisierung entstanden auch hier die typischen Zinshausviertel ähnlich wie in anderen Arbeiterbezirken, und auch große Gemeindebauten wie z.B. der Sandleitenhof. Die Bezirksfläche erstreckt sich vom Lerchenfelder Gürtel bis zum Wilhelminenberg, über die einstigen Weingärten und Felder von Neulerchenfeld. Auch heute noch findet man urige Wiener Heurige & Buschenschanken, je weiter man stadtauswärts kommt. In Gürtelnähe aber ist Ottakring der Inbegriff für ein buntes, multikulturelles Wien geworden – mit dem Brunnenmarkt, einem der letzten reinen Straßenmärkte in Wien, oder dem Yppenplatz, einem der lebendigsten und hippsten Stadtviertel zur Zeit. Ottakring zählt zu den „urwienerischen“ Bezirken; eine Vielzahl prominenter Wienerliedmusiker und Heurigensänger sind aus dem Bezirk hervorgegangen, und mit dem Ottakringer Bier gibt es ein weiteres „Wahrzeichen“ mit überregionaler Bekanntheit.
In den 1970er Jahren wurde Ottakring zum Modellprojekt für Wiens sanfte Stadterneuerung: Hier kam es zum ersten Partizipationsprozess Wiens, eröffnete das erste Gebietsbetreuungsbüro, wurde die erste Wohnstraße Österreichs realisiert und einer der ersten Nachbarschaftsparks gestaltet.

Zur Geschichte im Detail:
Am 1. Jänner 1892 wurde aus den ehemaligen Vororten Ottakring und Neulerchenfeld der 16. Wiener Gemeindebezirk „Ottakring“ gebildet.

Sonderstatus der Freihöfe von Ottakring
Ottakring wird erstmals um 1150 urkundlich erwähnt. Die Grundherrschaft in Ottakring hatte bis 1848 das Stift Klosterneuburg inne. Unabhängig davon existierten Freihöfe, die nur dem Landesherrn gegenüber steuerpflichtig waren.
Ein solcher Freihof war der Schottenhof Ecke Ottakringer Straße und Sandleitengasse. Er wird bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts genannt und war unter anderem im Besitz Ulrich von Eitzings; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam der Hof in den Besitz der Familie Maroltinger. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel erwarb das Schottenkloster 1777 den Freihof. 1964/65 wurde der uralte Bau abgerissen.

Zerstörung – ein Signal für den Neubeginn
Von Ottakring sind uns zwei Siedlungskerne bekannt: der ältere, um die 1790 abgetragene Lambertkirche auf dem Areal des heutigen Friedhofs, geht auf die bayrische Besiedlung des 9. Jahrhunderts zurück, der jüngere Siedlungskern, aus dem 11. Jahrhundert, ist ein Grabendorf entlang des Ottakringer Baches, das sich noch heute an der oberen Ottakringer Straße zwischen Sandleitengasse und der Vorortelinie erkennen lässt. Hier stehen die letzten alten Weinhauerhäuser des Bezirks, während der alte Ortsteil von Ottakring vollkommen der Spitzhacke zum Opfer gefallen ist. Während die Türkenbelagerung von 1683 dem Ortsteil um die Lambertkirche ein Ende bereitete, konnte sich die um das 1460 entstandene Wolfgangskirchlein wachsende Siedlung trotz Zerstörung durch die Türken und erneute Verheerung durch die Franzosen 1805 und 1809 besser über die Zeiten
hinwegretten. Es war dies in erster Linie ein Bauerndorf und bewahrte seinen ländlichen Charakter bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Ein Großbrand am 11. Mai 1835 vernichtete binnen einer Stunde 52 Häuser im alten Ortsteil und setzte das Signal zu einem Neubeginn. 1837 ließ die Gemeinde Ottakring zwischen Neulerchenfeld und Ottakring ein ausgedehntes Areal parzellieren. Das neue Siedlungsgebiet, Neu-Ottakring genannt, wuchs sehr rasch. Auf dem Stadtplan ist durch die rechteckige Rasterung noch heute das Areal der parzellierten Gründe deutlich erkennbar. Die St. Wolfgangskirche wurde 1912 durch einen neugotischen Backsteinbau ersetzt. Um 1700 entwickelte sich vor dem Linienwall eine neue Siedlung, die ursprünglich Unter-Ottakring genannt wurde.

Des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus
1703 erscheint erstmals der Name Neulerchenfeld. Das Lerchenfeld ist heute Bestandteil der Wiener Gemeindebezirke Neubau und Josefstadt (siehe Wien 7. und 8.). Der Linienwall, der auf den Verlauf alter Flur- und Siedlungsgrenzen keine Rücksicht nahm, trennte einen Teil des Lerchenfelds ab. Dieses unverbaute Gebiet bestand in erster Linie aus Weingärten. Die neue Ansiedlung entwickelte sich entlang dreier unterschiedlicher Straßenzüge, der Oberen Gasse (Gaullachergasse), der Mittleren Gasse (Neulerchenfelder Straße) und der Unteren Gasse (Grundsteingasse). Zwischen Gaullachergasse und Ottakringer Straße lagen am Linienwall das Invalidenhaus des Simon von Yppen, eine Stiftung des 18. Jahrhunderts, und ein Exerzierplatz, der zusammen mit angrenzenden Feldern im 19. Jahrhundert parzelliert wurde.
Die Thaliastraße entwickelte sich relativ spät und trug ursprünglich den Namen Neulerchenfelder Straße. Sie erhielt ihren heutigen Namen vom Thaliatheater, einem 1856 eröffneten Holzbau, in dem 1857 Richard Wagners "Tannhäuser" zum ersten Mal in Wien aufgeführt wurde. Der Name Neulerchenfelder Straße ging auf die alte Mittlere Gasse über. In der heutigen Grundsteingasse im Gasthaus "Zum Grünen Baum" lagen die Thaliasäle, die ihre Glanzzeit hatten, als die berühmten Volkssängerinnen Amalie Zeidler und Emilie Turecek, "die Fiaker-Milli", hier auftraten. Neulerchenfeld war wegen seiner vielen Gasthäuser und Weinschenken bekannt. Besonders hervorzuheben ist das Gasthaus "Zum Goldenen Fassl" in der Unteren Gasse, dessen Tanzsaal im Inneren eines gewaltigen 25.000-Eimer-Fasses errichtet war. Um 1800 bezeichnet der Lokalhistoriker Franz Gaheis Neulerchenfeld als "des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus". Nicht weniger als 103 von 150 Häusern besaßen damals die Schankgerechtigkeit.

Zentrum der Arbeiterbewegung und Wiege der Sozialdemokraten
1713 wurde Neulerchenfeld, in dem vor allem Handwerker und kleinbürgerliche Gewerbetreibende sowie Kleingärtner und Gartenbaubetriebe angesiedelt waren, schwer von der Pest getroffen, vergrößerte sich aber trotzdem durch Zuzug immer mehr. 1732-1753 wurde die Neulerchenfelder Pfarrkirche erbaut. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Ottakring und Neulerchenfeld in wachsendem Maße zu Arbeitersiedlungen, und vor allem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden hier in unschöner Regelmäßigkeit die freudlosen Zeilen der Zinskasernen. Entsprechend wurde der neue Bezirk Ottakring aber auch zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung und entsandte mit dem später ermordeten Franz Schuhmeier einen der ersten Sozialdemokraten in den Wiener Gemeinderat.
In der Ersten Republik entstanden im Bezirk einer Reihe von Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien, darunter die große Anlage des Sandleitenhofes, dessen Bau 1924 begonnen wurde. Der aus rund 1.600 Wohnungen bestehende bemerkenswerte Gebäudekomplex liegt inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Ein Erholungsgebiet des 16. Bezirks ist der Gallitzinberg, der seinen Namen nach dem russischen Botschafter Dimitri Fürst Gallitzin erhielt, der sich dort 1785 ein Sommerschlösschen erbaut hatte. Im Volksmund wird der Berg einfach "Galiziberg" genannt. Später bürgerte sich der Name "Wilhelminenberg" ein. Im Park des Schlosses war in den Nachkriegsjahren die biologische Station der Akademie der Wissenschaften untergebracht. Ottakring und Neulerchenfeld hatten zu jenen Orten gehört, die gegen ihre Eingemeindung nach Wien besonders heftig opponierten. Nachdem die Eingemeindung aber schließlich trotzdem beschlossen wurde, fällten die niederösterreichischen Landesbehörden eine Entscheidung: Der neue Bezirk wurde Ottakring benannt, und gleichsam im Kompensationsweg wurde der Bürgermeister von Neulerchenfeld der erste Bezirksvorsteher.

Modellprojekt Ottakring für Wiens sanfte Stadterneuerung
In Ottakring lag das erste Sanierungsgebiet Wiens, auch wenn es anfangs zur Assanierung bestimmt war – sprich, ein weitgehender Abriss und Neubau erfolgen sollte. Dem Engagement engagierter Planungsbeamter und Architekten um eine sozial verträglichere Modernisierung des gründerzeitlichen Stadtgebiets ist es zu verdanken, dass dieses Grätzel schließlich zum Modellfall für Wiens sanfte Stadterneuerung wurde. Hier kam es zum ersten Partizipationsprozess Wiens, eröffnete das erste Gebietsbetreuungsbüro, wurde die erste Wohnstraße Österreichs realisiert und einer der ersten Nachbarschaftsparks gestaltet.
 

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Sandleiten

Geschichte zurückerobern

Nur ein Zufall: Der Klang des Namens korrespondiert mit dem Flair des Platzes, der diesen Namen trägt. Der Name ist (für Wiener wie für Berliner) Ohren wohlklingend wie viele italienische Wörter. Giacomo Matteotti. Dschakomomadde-Oddi, wie es vielleicht artmännisch hieße. Matteottiplatz. Ein passender Name für einen Platz mit mediterranem Charme. Wenn er bloß auch mit mediterraner Lebensfreude gefüllt wäre. Auf alten Aufnahmen gibt es sie noch, die unzähligen HerumsteherInnen und SpaziergängerInnen, die Eilenden und die, die ganz pomali unterwegs sind.

Der Matteottiplatz war/ist der Hauptplatz von Sandleiten, der Stadt in der Stadt mit mehr als 4000 BewohnerInnen, mithin des größten Gemeindebaus des Roten Wien. Nach der Fertigstellung im Jahre 1928 gab es hier neben den 1.600 Wohnungen 75 Geschäftslokale, ein Gasthaus, ein Cafe, drei Bade- und Wäschereibetriebe, 58 Werkstätten, drei Ateliers, ein Postamt, drei Kinderhorte, eine Bücherei, eine Apotheke und als Draufgabe einen Kino- und Theatersaal. Am radikalsten rotteten die neuen ökonomischen «Zwänge» die Werkstätten aus. Werkstätten sind systemfremd geworden, vor allem Reparaturwerkstätten (die letzten Werkstätten Österreichs, die Autowerkstätten, werden in 30 Jahren eingehen – ungefähr zum Zeitpunkt der Werkstatt-Renaissance der post-neoliberalen und solidarischen Wirtschaft; soviel Zukunftsglaube darf formuliert werden im Zusammenhang mit dem italienischen Revolutionär Matteotti, der an ein rotes Paradies auf Erden glaubte und 1924 von Faschisten ermordet wurde).

2030, 2040 oder vielleicht schon früher heißt der Matteottiplatz - die Wette gilt - nicht mehr Matteottiplatz, sondern Heini-Klein-Platz. Nicht, weil der Italienische Held an Wertschätzung verloren hat, sondern weil die neue österreichische Geschichtswissenschaft und Erinnerungspolitik endlich jenen Personen Gerechtigkeit widerfahren lässt, die aus der offiziellem Geschichte eliminiert wurden, und weil man für Menschen wie Heini Klein dann die repräsentativsten öffentlichen Räume braucht. Die Namen müssen mit den Orten wertmäßig übereinstimmen, daher würde es nicht gehen, eine fünfstufige Treppe in der finstersten Ecke Sandleitens nach Heini Klein zu nennen. Ich durfte ihn noch persönlich kennen lernen, er war der sanfteste Revolutionär, der mir in meinen 17 KPÖ-Jahren über den Weg lief. Ich wäre nicht ausgetreten, wenn solch liebenswürdige Antidogmatiker und Menschenfreunde statt den aus dem Moskauer Exil kommenden Alleswissern und Weniglächlern die Partei prägen hätten dürfen.

Der Hauptplatz von Sandleiten sollte es sein, der Kleins Namen trägt, denn Heini Klein war der Held von Sandleiten – obwohl er uns den Gebrauch dieses Titels verboten hätte. Heli Neuhaus und Paul Vodicka, auch sie WiderstandskämpferInnen, erinnern sich noch an den April 1945, in dem manches anders verlaufen wäre, wenn der damals 27jährige Heini Klein nicht eine fixe Idee gehabt hätte: «In Wien wird nicht gekämpft, Wien darf kein zweites Budapest werden, das war seine und unsere Losung. Denn in Budapest gab es lange Kämpfe zwischen sowjetischem Militär und SS, und währenddessen verhungerten die Kinder und die alten Leute in den Kellern, das wollten wir vermeiden«, erklärt Heli Neuhaus. Sie und Paul Vodicka sind 2014 im Rahmen des soziokulturellen Projekts «Soho in Ottakring» von der Soho-Mitarbeiterin Kerstin Kellermann interviewt worden.

Paul Vodicka erinnert sich:  «Ende März, Anfang April stand die Rote Armee unmittelbar vor Wien. Der Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach, hat den Befehl gegeben, um jedes Haus mit vollem Einsatz zu kämpfen. Zum Schutz der Bevölkerung und um die Zerstörung der Wohnhäuser zu verhindern, wurde die Arbeit der Ottakringer Widerstandsgruppe in der Öffentlichkeit sichtbar aktiver. So fuhren die Genossinnen und Genossen mit Fahrrädern durch den Bezirk und gaben die Parole aus, weiße Fahnen in die Fenster zu hängen. Flugblätter, die zum aktiven und passiven Widerstand aufriefen, wurden in großen Auflagen produziert und mit einem Werksbus des ‚Völkischen Beobachter’  in die Straßen gestreut. Jetzt wurden auch Waffen an die einzelnen Gruppen verteilt. Auf den Hügeln rund um Ottakring, dem Satzberg, dem Heuberg und dem Exelberg, waren Wehrmachts-, SS- und Volkssturmbataillone stationiert, um die Rote Armee aufzuhalten. Allen Mitgliedern des Kommunistischen Jugendverbands (KJV 44; die Zahl bezieht sich auf das Gründungsjahr 1944) war klar: Ottakring darf nicht Kriegsschauplatz werden! Heini Klein hatte eine Armeeuniform an – und einen gefälschten Befehl in der Hand. Dieser falsche Befehl ordnete an, dass die Hauptkampflinie vom Wienerwald zum Gürtel zurückverlegt werden sollte. Die nun zurückflutenden Soldaten, SS-ler und Volkssturmrekruten, konnten von den WiderstandskämpferInnen überredet werden, ihre Waffen abzugeben. Sie wurden dann  mit Zivilkleidern versorgt, die sie aus den aufgebrochenen Sammelstellen des NS-Winterhilfswerks hatten.»

Durch die kampflose, unblutige Operation, die sich hauptsächlich im Sandleitenhof abspielte, ist Ottakring erspart geblieben, was die Menschen in anderen Teilen Wiens erdulden mussten: Verteidigungskämpfe, als der Krieg längst verloren war, was jede und jeder wusste.

Von der KP-Spitze hatten die Ottakringer Jungkommunisten noch einen besonderen Auftrag erhalten: «Bringt uns den Kunschak!» An diesen »Befehl» erinnert sich Herr Vodicka besonders gerne – weil es nämlich er war, der wusste, wo der christlichsoziale Politiker versteckt war, den die Kommunisten brauchten, um eine rot-rosa-schwarze Koalitionsregierung zu bilden. «Den Leopold Kunschak habe ich aus dem Keller geholt«, erzählt der Widerstandskämpfer. «Aus dem Keller in der Hernalser Hauptstraße 53. Der saß nämlich vis a vis seiner Wohnung auf Nummer 54 im Keller. Warum er nicht in seinem eigenen Keller saß, weiß ich auch nicht. Der ist immer dort im Keller gesessen, weil er Angst gehabt hat vor den Russen.»

Solche Geschichten sind es, die die – grätzlfremden – Intellektuellen rund um «Soho in Ottakring» ausgraben oder neu entdecken. Aus der Sicht der sozialistischen Geschichtsschreibung hatten Heini Klein und Co. ihren Weg bei der richtigen Partei begonnen, waren dann aber in der falschen gelandet. Aus den Roten Falken wurden junge KommunistInnen. Deswegen werden sie ausgespart aus vielen Erzählungen zur Geschichte der Gemeindebauten nach dem Ende des Experiments «Rotes Wien», 1934. Dass ihre Zurückholung in die Geschichte, wie das Beispiel Sandleiten zeigt, weniger über wissenschaftliche, über massenmediale und über städtisch-volksbildnerische Kanäle erfolgt als über Projekte engagierter Kunstschaffender oder KulturvermittlerInnen, kann als Kompliment an die Kunst und als Frage an Politik, Medien und Universität verstanden werden. Durch die neue Konzentration auf den Gemeindebau Sandleiten am Rande des 16. Bezirks kann «Soho in Ottakring» den Fehler vermeiden, durch die Mobilisierung künstlerischer Energien in vernachlässigten Stadtteilen zu einer Aufwertung des Areals und indirekt zu einer Vertreibung ärmerer Schichten in billigere Wohnbezirke beizutragen, wie ihm das im Fall der früheren Projekte am Brunnenmarkt und am Yppenplatz vorgeworfen werden konnte. Als Gemeinde-Wohnanlage ist Sandleiten dem Markt entzogen, was eine «unschuldigere» Beteiligung der KünstlerInnen  ermöglicht. Diese vermögen Beiträge zu leisten, dass eine «Stadt in der Stadt» wie Sandleiten wieder zu sich selbst kommt – und zu seiner Geschichte.

Und so muss auch der Blogger Wolfgang Krammer nicht fürchten, dass seine Elegie an den Gemeindebau einen Boom auslöst, der Sandleiten in ein Luxusghetto verwandeln würde: «Keine Spur von Satellitensiedlung am Stadtrand. Lässig lümmelt sich die Anlage an die Hänge eines ehemaligen Weinbaugebietes. An die Sandleiten. Offen, luftig, mit vielen Freiräumen. Bei Westwind – und der bläst häufig in Wien – riecht man den Wald des nahen Wilhelminenberges. Von den turbulenten Zeiten einer Stadt in der Stadt ist nicht mehr viel zu spüren, dafür aber mehr vom ‚Dorf am Stadtrand’. Dennoch ist die Lage des Sandleitenhofes  Weltklasse. In zehn Minuten im Wald oder in zehn Minuten bei der U-Bahn. Die Straßenbahn vor der Tür. Heurige in Griffweite. Auch das Kongressbad. Je nach Geschmack. Viele der Architekten, die Gemeindebauten geplant haben,  waren Schüler von Otto Wagner. Doch beim Sandleitenhof gaben andere Ideen und Konzepte den Ton an. Kleine und große Plätze, kurvige Wohnstraßen, viele Grünflächen. Überhaupt war die Wohnbautätigkeit dieser Jahre ein spektakuläres Kontrastprogramm zur Wohnsituation der vorangegangenen Jahrzehnte: Zinskasernen mit Wasseranschluss und Gemeinschafts-WC am Gang (…) Die Architektur mancher dieser Bauten aus der Zwischenkriegszeit erinnert ein wenig an die Bauhaus-Architektur. Ganz besonders zum Beispiel die Werkbundsiedlung. Vielleicht fühle  ich mich auch deshalb bei meinen Streifzügen durch die Bauhausviertel in Tel Aviv so heimisch. Aber das ist eine andere Geschichte…»

Robert Sommer
 


INFO-BOX

Soho in Ottakring:
http://www.sohoinottakring.at/

Wolfgang Krammers Blog:
http://wolfgangkrammer.wordpress.com/

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FlanerieTipps

Wilhelminenberg & Villa Aurora

Der Wilhelminenberg ist ein beliebtes Ausflugsziel und Wandergebiet, auch der Stadtwanderweg 4a führt hier über den Berg und zeigt Ottakring von seinen schönsten Seiten. Kleine Heurige und Buschenschanken, die historische Kuffner Sternwarte, das Schloss Wilhelminenberg mit herrlicher Aussichtsterrasse oder die Villa Aurora, ein romantisches Gasthaus mit wildem Garten. Das zu Kaisers Zeiten als „Gasthaus Predigtstuhl“ bekannte Restaurant bietet Fin de Siècle mit Patina, in einmaligem Ambiente: Herrlicher Gastgarten, Gartenhaus und Pavillons für Feste, Picknick-Körbe für Picknicks im wunderschönen Naturgarten, oder im Winter origineller Eislaufplatz.

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Am Gallitzinberg in Ottakring befindet sich die Kuffner Sternwarte, eine Sternwarte aus der Zeit des Historismus. Sie beherbergt eine bedeutende Sammlung astronomischer Instrumente aus dem 19. Jahrhundert und demonstriert eindrucksvoll, wie in der Astronomie vor mehr als 100 Jahren geforscht wurde. Es werden Vorträge, Kurse und Besichtigungen angeboten, und bei schönem Wetter kann man sogar mit dem großen Fernrohr aus 1886 den Sternenhimmel beobachten. http://www.planetarium-wien.at/

Ein Stückchen weiter, am Gipfel des Wilhelminenberges, gibt es die Jubiläumswarte, die 1898 anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. errichtet wurde – heute auch als Aussichtsplattform beliebt!
 

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Das Jahr 1837 gilt als Geburtsstunde der Ottakringer Brauerei. Zu dieser Zeit gab es in den Vororten rund um Wien noch 44 Brauereien. Die Ottakringer Brauerei war damals ein Tanzboden mit angeschlossener Brauerei – heute ist es umgekehrt, eine Brauerei mit angeschlossenen „Tanzböden“. Und so kann man heute am Gersteboden, Hopfenboden oder Hefeboden Feste feiern, abtanzen oder kultige Clubbings oder Konzerte besuchen. http://www.ottakringerbrauerei.at/

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Kunst- und Stadtteilprojekt

Soho in Ottakring, ein 1999 aus einer KünstlerInneninitiative entstandenes Kunst- und Stadtteilprojekt, hat dem Bezirk einen künstlerischen Stempel aufgeprägt. Alle Jahre im Mai findet ein 2wöchiges Kunstfestival statt, das auf Urbanität, Stadtteilentwicklung, künstlerische Interventionen und Möglichkeiten der Partizipation fokussiert. Darüber hinaus wird angestrebt, temporäre Räume zu nutzen und Kooperationen mit bestehenden Institutionen einzugehen. Ursprünglich vom Brunnenmarktviertel ausgehend, hat das Festival seit 2013 auch Räumlichkeiten des ehemaligen elektropathologischen Museums des Ottakringer Sandleitenhofs mitbespielt. http://www.sohoinottakring.at/

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Letzte Stegreifbühne Wiens

In der Maroltingergasse 43 lädt die Tschauner Bühne – die einzige noch existierende Stegreifbühne Wiens – zu unterhaltsamen Kulturerlebnissen in ausgefallenem Ambiente ein. Gespielt wird von Mitte Juni bis Anfang September bei jedem Wetter, am Programm steht sowohl Klassisches Stegreiftheater als auch Tschauner Reloaded, sowie Kabarett, Konzerte und Kinderprogramm. Davor und danach einen Sommerspritzer und Knacka mit Brot und Senf in der Pawlatschengastronomie, und man fühlt sich tatsächlich in eine andere Zeit zurückversetzt. http://www.tschauner.at

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Zentrum der Wienerlieds

Ottakring gilt als die Wiege des Wienerlieds. Am Fuße des Gallitzinberges ist auch heute noch das Zentrum für Wienermusik und Wienerlied zuhause, das Wiener Volksliedwerk, das seit 20 Jahren hier im Liebhartstaler Bockkeller residiert und seit 15 Jahren das Wienerliedfestival Wean Hean veranstaltet. Der Bockkeller in der Gallitzinstraße 1 ist übrigens eine sehenswerte Veranstaltungslocation, und es gibt viele musikalische Gelegenheiten für einen Besuch! http://www.wvlw.at/, http://www.wienervolksliedwerk.at/weanhean14/

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Hörbuch

Ottakring zwischen Gestern, Heute und Morgen

Ottakring – das ist jener Wiener Gemeindebezirk, der das Ur-Wienerische besonders charakterisiert. Beliebt ist der 16. Bezirk vor allem, weil er sowohl die Vorzüge der Großstadt als auch die Annehmlichkeiten eines ländlichen Erholungsgebietes vereint. Auch für Zuwanderer war und ist die Urwiener-Vorstadt ein Anziehungspunkt. Waren es früher vor allem Bulgaren, Tschechen und Slowaken, die sich hier ansiedelten, haben in den letzten Jahren vor allem türkische Zugereiste den „16ten“ zu ihrem Heimatbezirk erkoren, wie besonders die Gegend um den Brunnenmarkt mit ihrer bunten Vielfalt und dem orientalischen Flair deutlich macht.

In früherer Zeit lockten unzählige Gasthäuser und Heurigenlokale ganz Wien nach Neulerchenfeld und Alt-Ottakring. Einerseits wegen der wesentlich günstigeren Preise, andererseits wegen der Gemütlichkeit, denn in den Wirtshäusern wurde gern musiziert. Ottakring galt als „Brutstätte“ des Wienerlieds. Namhafte Persönlichkeiten, denen wir den typischen Stil der Wiener Unterhaltungsmusik zu verdanken haben, waren hier zuhause, wie etwa die Brüder Schrammel oder in heutiger Zeit Karl Hodina. Aber nicht nur Vergnügen und Fröhlichkeit waren hier zuhause, sondern auch bittere Armut. Viele Handwerker – wie z.B. die Perlmuttdrechsler – betrieben Werkstätten in ihren bescheidenen Wohnungen. Durch die Errichtung zahlreicher Fabriken, von denen heute kaum noch welche in ihrer ursprünglichen Form bestehen, wurde Ottakring zum klassischen Arbeiterbezirk und war auch das Zentrum der Arbeiterbewegung um 1900.

Aus dem einstigen Industriebezirk ist nun ein Bezirk mit Grünflächen, Park- und Wohnhausanlagen geworden. Von den alten Betrieben ist noch die Ottakringer Brauerei geblieben, die neben der Kuffner-Sternwarte dem Schloss Wilhelminenberg oder der Jubiläumswarte mittlerweile zu Ottakrings Wahrzeichen gehört.

Barbara Wolflingseder

Redakteurin des Hörbuchs Ottakring


Mit Interviews von

Helmut Grassl, Leopold Grohsinger, Karl Hodina, Engelbert Jank, Robert Medek, Hertha Sladek, Adolfine Stiglitz, Kurt Stimmer, Hilda und Rudolf Weingartner, Volker Wimmer, Herbert Zotti


Tracklist

1. Ottakring
2. Geschichtliche Entwicklung
3. Wilhelminenberg & Liebhartstal
4. Ottakring und der Wein
5. Wiege des Wienerlieds
6. Wirtshäuser, Vergnügen & kulturelles Leben
7. Brunnenmarkt
8. Arbeiter- und Industriebezirk
9. Bezirksmuseum Ottakring
10. Erinnerungen der Bezirksbewohner

Gesamtspielzeit: 77:26


Musikbeiträge von:

Arik Brauer, Kurt Girk, Joseph Haydn, Duo Hodina/Koschelu, Karl Hodina & Allegre Correa, Fritz Imhoff, Trude Mally & Karl Nagl, Hans & Fritz Matauschek, Therese Sprung-Hafenscher & Hans Matauschek, Karl Nagl, Hansl Schmid, Johann Strauß, Wiener Thalia Quartett
 

Flanerien konkret

Derzeit gibt es keine aktuellen Termine für Stadtführungen im 16. Bezirk. Infos zu aktuellen StadFLANERIEN des Aktionsradius Wien unter office@aktionsradius.at.